Auf der „Lockdown Capitalism“-Demonstration am 23.01. haben wir auf der Auftaktveranstaltung eine Rede gehalten, die hier nochmal zum nachlesen zu finden ist:
Es ist 2021 und seit bald einem Jahr bestimmt die Corona-Krise unseren Alltag. Einige Regierungen verabschieden teilweise willkürliche Maßnahmen, um die Corona Pandemie einzudämmen. Der autoritäre Kurs, der schon vor dem Ausbruch von CoVid-19 sichtbar wurde, wird also fortgesetzt.
In vielen Ländern werden Proteste mit dem Hinweis auf Corona-Maßnahmen unterdrückt oder die Pandemie von Regierungschef:innen nicht ernst genommen. Hauptsache die Wirtschaft läuft wie bisher. In Deutschland müssen wir vor allem private Einschränkungen hinnehmen und dürfen nicht mehr selbst entscheiden. Uns wird von der Regierung abgesprochen, das wir verantwortungsvoll handeln können. Wir denken jedoch dass Menschen genau dies können, wenn sie dazu ermutigt und ihnen diese Entscheidungen nicht vorenthalten würden. Natürlich brauchen wir hierfür Änderungen in der Gesellschaft. Eine Verantwortungsübernahme füreinander braucht Erfahrungen und einen gemeinsamen Lernprozess. Die Menschen in unserer Gesellschaft sind durch Lohnarbeit und kapitalistische Marktwirtschaft Rücksichtslosigkeit gewöhnt. Unser alltägliches Zusammenleben wird durch Gesetze und staatliche Regelungen bestimmt. Wir sind also gewohnt, dass uns vorgegeben wird, wie wir uns „richtig“ zu verhalten haben. Das lässt sich natürlich nicht von heute auf morgen ablegen. Wir denken aber, dass die aktuelle Krise auch die Chance bietet, dass Menschen mehr Verantwortung füreinander übernehmen. In kleinen Netzwerken, wie in Nachbar:innenschaftshilfen geschieht dies ja auch während der Pandemie vermehrt. Auf diesen Erfahrungen können wir versuchen auf zu bauen, um auch nach der Pandemie solidarische Netzwerke zu erhalten. Wir können gemeinsam lernen, wie wir uns in einer befreiten Gesellschaft organisieren können und wie wir mit solchen besonderen Krisensituationen umgehen wollen. Denn Maßnahmen, die von Menschen gemeinsam beschlossen werden, würden sicher auf mehr Akzeptanz stoßen und eher umgesetzt werden.
Wir dürfen jedoch nicht vergessen , dass wir auch dann Expertise zu wichtigen Problemen aufbauen müssen und diese in unsere Beratungen und gemeinsamen Entscheidungen einfließen lassen sollten. Auch in einer befreiten Gesellschaft sollte es die Möglichkeit geben, dass Menschen in ihrem Interessensgebiet Expert:innen werden können. Wir sollten nicht anfangen, wie die Pandemieleugner:innen, jegliche Idee von Expert:innen als eigene Vorteilsnahme zu deuten. Wir wollen Expert:innen nicht einfach folgen, aber anerkennen, dass sie uns mit ihrem Wissen begleiten und beraten können. Sie sollen als gleichberechtigte Gefährt:innen angehört und Ernst genommen werden.
Das Virus selbst entspringt einer krisenhaften Gesellschaft und den bestehenden Herrschaftsverhältnissen. Es entspringt der Ideologie, dass nicht-menschliches Leben keinen Wert hat. Wir wissen: Wir können ohne intakte Ökosysteme nicht existieren. Tierisches Leben jenseits des Menschseins ist Teil unserer Herrschaftsanalyse. Die Mensch-Tier-Grenze ist ein menschliches Konstrukt. Dieses Herrschaftsverhältnis ist kein Nebenwiderspruch, und verschwindet auch nicht mit dem Kapitalismus. Der Raubbau an Ökosystemen, die massive Vernichtung von Lebensraum oder die Tierindustrie sind Keimzellen für Pandemien. Entweder dringen Menschen in den Lebensraum von Viren ein oder sie züchten sich Virusmutationen in der Massentierhaltung – seien es sogenannte Pelzfarmen oder hiesige Tierfabriken. Wir sind insbesondere der Meinung, dass wir den Fokus unserer Kämpfe gegen die autoritären Coronamaßnahmen daher auch gegen die zerstörerische Tierindustrie richten sollten. Nicht nur weil dort lohnarbeitende Menschen ausgebeutet werden, sondern auch weil dort fühlende Lebewesen ermordet, die Natur massiv zerstört wird und durch Ausbeutung und Tötung von Lebewesen Pandemien immer wahrscheinlicher werden. Aktuell haben Expert:innen erforscht, dass Millionen von Viren in der Tierwelt schlummern und in vielen Fällen auch auf den Menschen übertragbar sind. Wir wollen Tiere zwar nicht um unser Selbstwillen vor Ausbeutung schützen, denn eine befreite Gesellschaft geht nicht ohne Tierbefreiung. Vielleicht aber rütteln wir die eine oder andere Person da draußen damit auf, sich ebenso gegen Tier- und Naturausbeutung zu stellen.
Die Corona-Krise rückt also wieder Verteilungsfragen in den Mittelpunkt. Als antiautoritäre Bewegung müssen wir Verteilungsfragen aber intersektional denken. Auch wirtschaftliche Benachteiligung trifft verschiedene soziale Gruppen unterschiedlich. Wir müssen weiterhin Kämpfe verbinden.
Für Selbstorganisierung in einer befreiten Gesellschaft. Für die Anarchie!