Der Animal Rights March 2019 in Berlin war erneut eine riesige Demonstration für die Befreiung aller nichtmenschlichen Tiere. Und auch dieses Jahr waren wir als Herrschaftskritischer Block dabei um deutlich zu machen, dass wir für die Befreiung von Menschen und nichtmenschlichen Tieren gleichermaßen kämpfen müssen.
Wir, die sich nach dem Ende der Demo noch einmal zusammen gesetzt haben, um zu hören wie es allen während der Demo und insbesondere in unserem Block ging, waren sehr glücklich, dass so viele Leute im Herrschaftskritischen Block zusammen mit uns gegen jede Unterdrückung laut waren. Auch waren wir sehr dankbar dafür, dass die Veranstalter*innen des ARM, das Tierrechtsaktivisten Bündnis, eine Klare Kante gegen Menschenfeindliche Positionen beim ARM 2019 bezogen haben und uns ermöglicht haben, eine Rede bei der Abschlussveranstaltung zu halten!
Damit ihr wisst, worum es in der Rede ging, könnt ihr sie unter diesem kurzen Bericht nachlesen.
Until All are free – no one is free!
Rede vom Herrschaftskritischen Block:
Wir sind heute hier, weil wir Speziesismus und die Ausbeutung von allen Tieren bekämpfen wollen. Nichtmenschliche Tiere sind kein Eigentum, keine Objekte oder Waren, welche sich unter die menschliche Vorherrschaft einzuordnen haben, sondern Lebewesen und Individuen, welche befreit leben wollen. Sie sind nicht stimmenlos, sie werden zum Schweigen gebracht.
Wir sind aber heute auch hier, weil wir als herrschaftskritischer Block deutlich machen möchten, dass Vegan sein bedeutet, möglichst wenig Leid zu verursachen und ein gutes Leben für Alle, frei von Unterdrückung und Diskriminierung zu ermöglichen.
Und das hört eben nicht bei nichtmenschlichen Tieren auf. Dabei geht es auch um Menschen, welche schließlich auch Tiere sind. Wir wünschen uns eine vegane Bewegung, die für verschiedene Diskriminierungsformen sensibilisiert ist und sie bekämpft.
Wir wünschen uns eine emanzipatorische vegane Bewegung, die die Zusammenhänge unterschiedlicher Unterdrückungsformen anerkennt. Wir sehen Veganismus als eine soziale Gerechtigkeitsbewegung die sich mit anderen Bewegungen solidarisieren sollte. Tierbefreiung muss sich konsequent gegen jede Unterdrückung richten.
Vielen Gruppen, die sich für nichtmenschliche Tiere einsetzen, genügt das vegane Engagement als gemeinsamener Nenner. Dabei werden dann teils sexistische, homo- & transfeindliche und offen Rechte Personen in der Gruppe akzeptiert. Diese Menschen willkommen zu heißen, ignoriert die Bedürfnisse von unterdrückten Gruppen. Denn durch eine „Tiere zuerst“-Mentalität wird oft verlangt, dass Unterdrückte über ihre Diskriminierung hinwegsehen sollen, um gemeinsam mit ihren Unterdrücker*innen für Veganismus einzustehen. Es ist absurd von Migrant*innen zu verlangen gemeinsam mit Rassist*innen für nichtmenschliche Tiere zu kämpfen oder von Frauen zu verlangen, mit Sexisten zusammen zu arbeiten.
Wir brauchen eine vegane Bewegung, die sich klar von menschenfeindlichen Positionen distanziert und sich selbst mit wichtigen Themen wie Rassismus, weißen und patriarchalen Privilegien und Ableismus auseinandersetzt. So können wir unsere Communities zugänglicher und inklusiver für People of Colour und andere von Diskriminierung betroffene Menschen machen und reproduzieren keine diskriminierenden Strukturen. Stimmen von marginalisierten Gruppen sollten gehört und wert geschätzt werden damit die Tierbefreiungsbewegung für alle sicherer und respräsentativer wird. Lasst uns Vegans of Colour und ihrer wichtigen Arbeit mehr Aufmerksamkeit entgegenbringen!
Wir lehnen den bestehenden Sexismus in der veganen Szene ab und wollen mehr Reflektion darüber. Cis-Männer inszenieren sich häufig als Anführer der Bewegung, obwohl sie nicht die große Mehrheit der Veganer*innen bilden. Unsere Bewegung braucht keinen Heldenkult aus selbst inszenierten Rettern, sondern gleichberechtigte Aktivist*innen. Außerdem hat die vegane Szene ein Problem mit sexualisierten und sexistischen Übergriffen. In den USA gibt es unter #ARmetoo eine öffentliche Debatte darüber.
Veganismus ist keine Diät, die dazu dient, gesellschaftlichen Schönheitsidealen zu entsprechen, sondern eine moralische und politische Einstellung. Wir sind für eine vegane Bewegung, die unterschiedliche Körpertypen wertschätzt – egal ob dick oder schlank – anstatt gängige Schönheitsideale zu reproduzieren, unter denen viele Menschen leiden. Wir wollen eine vegane Szene, in der sich auch dicke Menschen wohlfühlen. Körpernormen beschränken uns und stehlen unsere wertvolle Energie.
Es gibt tier-aktivistische Gruppen, die gezielt Tierschlachthöfe und Ställe mit dem Holocaust vergleichen, um Aufmerksamkeit für ihre Zwecke zu erwirken. Tierausbeutung mit dem Holocaust zu vergleichen ist völlig daneben. Beim Holocaust ging es darum, gezielt eine Gruppe von Menschen zu vernichten – nämlich Jüd*innen. Viele Überlebende erleben diesen Vergleich als herabwürdigend, relativierend und sogar retraumatisierend. Wenn wir von Tierausbeutung als Holocaust sprechen, machen wir dieses Ereignis zu etwas Alltäglichem und instrumentalisieren die Schrecken des Holocausts für unsere Zwecke. Ein ähnlicher Mechanismus tritt auf, wenn wir sexualisierte Gewalt oder Sklaverei mit Tierausbeutung gleichsetzten. Wir freuen uns daher sehr dass die Orga dieser Demo sich dieses Jahr auch gegen diese problematischen Vergleiche ausspricht.
Wir möchten auch die staatlich legitimierte, kapitalistische Ausbeutung kritisieren. Veganer Kapitalismus ist nicht möglich, wir brauchen ein solidarisches Wirtschaftssystem, bei dem die Bedürfnisse von Menschen und nichtmenschlichen Tieren im Mittelpunkt stehen. Im Kapitalismus werden nichtmenschliche Tiere, Menschen und Natur ausgebeutet. Der Kapitalismus orientiert sich an finanziellen Profiten und nicht an den Bedürfnissen von Lebewesen. Obwohl der Kapitalismus bereits große Profite durch Veganismus einfährt, ist die Tierindustrie immernoch ein riesiger Markt – trotz des Booms von pflanzenbasierten Produkten, steigt die Zahl von ausgebeuteten und getöteten Tieren stetig an. Große Firmen bringen vegane Produkte auf den Markt, aber nicht, weil ihnen das Wohl der Tiere am Herzen liegt, sondern um Gewinne zu machen. Auch aus ökologischen Gründen ist ein kapitalistisches Wirtschaftssystem nicht tragbar. Endloses Wachstum ist in einer Welt mit begrenzten Ressourcen unmöglich. Umweltzerstörung schadet allen – den Menschen und den nichtmenschlichen Tieren. Die politischen Verhältnisse und der Kapitalismus sind für Ausbeutung und Zerstörung verantwortlich. Auch Menschen, welche großteils unter schrecklichen Bedingungen in der Tierindustrie, z.B. im Schlachthof arbeiten, unterliegen Zwängen und der kapitalistischen Verwertungslogik. Tierrechtsaktivist*innen sollten daher auch den Kapitalismus an sich bekämpfen.
Lasst uns alle Unterdrückungsformen in die Tonne treten, uns zusammen weiterbilden und selbst hinterfragen.
In einer Gesellschaft, in der Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe keine Wohnung finden, Synagogen und Moscheen geschützt werden müssen, sexuelle Belästigung von Frauen Normalität ist und Geflüchtete im Mittelmeer ertrinken, gibt es mehr zu bekämpfen als nur Tierausbeutung.
Für eine inklusive, radikale, emanzipatorische vegane Bewegung, die sensibel mit Betroffenen von Gewalt und Unterdrückung umgeht!
Freiheit für Alle!