Warum Anarchismus die Abschaffung der Tierausbeutung beinhaltet – neue Übersetzung

Wir wünschen allen anarchistischen Gefährt*innen da draußen einen schönen Welt-Vegan-Tag und möchten euch dazu aufrufen, auch nicht-menschliche Tiere in eure solidarischen Kämpfe gegen Unterdrückung weltweit ein zu beziehen.
Denn Tiere werden in unser Gesellschaft und im Kapitalismus massiv ausgebeutet, getötet und zu Waren gemacht. Auch Tiere haben ein großes Interesse an Freiheit – genau wie wir Anarchist*innen. Lasst uns also gemeinsam für eine Welt streiten, in der jede Ausbeutung der Vergangenheit angehört – denn nur wenn alle frei sind, können wir frei sein!

Zum Welt-Vegan-Tag veröffentlichen wir eine (freie) Übersetzung eines Textes von französisch-sprachigen Gefährt*innen, den wir spannend für diese Debatte fanden.

Wir freuen uns über Feedback!
Freiheit für Alle!

Warum Anarchismus die Abschaffung der Tierausbeutung beinhaltet

Wir Anarchist*innen glauben nicht an den Unsinn, dass Gott den Menschen erschaffen und ihm die Erlaubnis gegeben hat, alle anderen Bewohner*innen dieses Planeten zu unterwerfen. Dieser Glaube, der über Jahrhunderte hinweg vom Christentum verbreitet wurde, hat unsere gesamte Kultur beeinflusst und dazu geführt, dass Menschen andere empfindungsfähige Lebewesen leiden lassen, töten und in Käfige sperren, nur weil sie nicht zu unserer Spezies gehören. Selbst Atheist*innen sind von dieser Sichtweise beeinflusst, so sehr hat sie die gesamte Gesellschaft durchdrungen. Wir Anarchist*innen werden diesen überholten Glauben bekämpfen und dafür sorgen, dass selbst die kleinsten Reste davon in unserer Kultur vollständig ausgelöscht werden.

Wir Anarchist*innen sind gegen Umweltzerstörung, die durch Profitgier und Kapitalismus hervorgerufen wird. Leider sind die ersten Opfer dieser Zerstörung meist nichtmenschliche Tiere, deren Lebensräume für die Befriedigung der nichtigen Interessen einiger Menschen zerstört werden. Wir glauben, dass eine solche Zerstörung in einer Gesellschaft, in der alle Menschen das Leben und die Interessen nichtmenschlicher Tiere respektieren, nicht stattfinden könnte.

Wir Anarchist*innen sind für das Ende von Unterdrückung. Wenn man bedenkt, dass Milliarden von domestizierten Tieren ihr ganzes trauriges Leben in Gefangenschaft verbringen und nie die Farbe des Himmels sehen, kann man leicht erkennen, dass sie von Menschen unterdrückt werden.

Uns Anarchist*innen ist bewusst, dass Unterdrückung gesellschaftlich legitimiert und durch diskriminierende Ideologien aufrecht erhalten wird. So wird die Unterdrückung von People of Color [alle von Rassismus betroffenen Menschen] durch die Ideologie des Rassismus legitimiert, die alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringt. Die Unterdrückung von Frauen [sowie trans, inter und nicht-binären Personen] wird durch die Ideologie des Sexismus legitimiert, die wir alle verinnerlicht haben, und das bereits seit der Kindheit.
Man sollte also leicht erkennen können, dass die Unterdrückung nichtmenschlicher Tiere durch die Ideologie des Speziesismus** legitimiert wird, die es ermöglicht, den Eindruck zu erwecken, dass das Leben und die Interessen dieser anderen Bewohner des Planeten vernachlässigt werden können, nur weil sie einer anderen Spezies angehören. Wir Anarchist*innen bekämpfen Ideologien, die versuchen, Unterdrückung zu legitimieren, und werden daher darauf hinarbeiten, auch die Ideologie des Speziesismus zu Fall zu bringen.

Wir Anarchist*innen sind für das Ende aller Diskriminierungen wie z. B. Rassismus, Sexismus oder Homofeindlichkeit. Es ist auch eine ungerechte Diskriminierung, wenn wir uns erlauben, einem fühlenden Lebewesen Schmerzen zuzufügen, es zu töten oder seiner Freiheit zu berauben, nur weil es einer anderen Spezies angehört. Wir Anarchist*innen sind radikal und packen das Übel daher an der Wurzel.

Wir werden uns immer daran erinnern, dass, bevor die jüngsten Völkermorde in unserer Geschichte stattfinden konnten, die betroffenen Bevölkerungsgruppen animalisiert wurden. Wir werden uns immer daran erinnern, dass die Armenier*innen vor dem Völkermord von ihren Unterdrücker*innen als Vieh bezeichnet wurden. Wir werden uns immer daran erinnern, dass die Juden und Jüdinnen vor dem Holocaust von ihren Unterdrücker*innen als Ungeziefer bezeichnet wurden. Wir werden uns immer daran erinnern, dass die Tutsi vor dem Völkermord von ihren Unterdrücker*innen als Insekten bezeichnet wurden. Hätte es diese Völkermorde geben können, wenn wir in Gesellschaften leben würden, in denen das Leben und die Interessen aller fühlenden Lebewesen respektiert werden?
Darüber hinaus haben sozialpsychologische Studien ergeben, dass Menschen, je mehr speziesistische Ansichten sie haben, desto eher auch rassistische, sexistische und homofeindliche Ansichten haben***.  Um das Übel an der Wurzel zu packen, muss die Ideologie des Speziesismus bekämpft werden.

Wir Anarchist*innen sind für Gerechtigkeit. Natürlich meinen wir damit nicht staatliches Recht, dass es erlaubt, Aktivist*innen ins Gefängnis zu stecken, die Tiere aus Käfigen und Orten der Ausbeutung befreit haben, in denen die Tiere nie das Tageslicht erblicken konnten. Wir sind für wahre Gerechtigkeit, die verlangt, dass die Interessen und Bedürfnisse aller Menschen respektiert werden. Auch nichtmenschliche Tiere haben Bedürfnisse und Interessen, und Gerechtigkeit bedeutet daher, dass diese ebenfalls respektiert werden.

Wir Anarchist*innen messen Freiheit große Bedeutung bei. Unser Standpunkt ist, dass die Freiheit aller Menschen respektiert werden muss, sowie auch die Freiheit nichtmenschlicher Tiere. Sie gegen ihren Willen in Lastwagen einzusperren, die sie zum Schlachthof bringen, und ihnen gegen ihren Willen die Kehle durchzuschneiden, nimmt ihnen ihre Freiheit. Die Achtung der Freiheit jedes einzelnen Lebewesen erfordert daher die Schließung von Schlachthöfen.

Wir Anarchist*innen sind kritisch gegenüber gesellschaftlichen Normen und halten sie keineswegs für legitim, nur weil sie Teil der Gesellschaft sind und schon lange existieren. Dass uns unsere Eltern, unsere Erziehung und unsere Kultur beigebracht haben, rassistische, sexistische oder homofeindliche Verhaltensweisen zu zeigen, die einer bestimmten kulturellen Norm entsprechen, bedeutet keineswegs, dass wir diese Verhaltensweisen, die anderen Individuen schaden, nicht beseitigen sollten. Ebenso bedeutet die Tatsache, dass uns unsere Eltern, unsere Erziehung und unsere Kultur beigebracht haben, Tiere zu essen und andere speziesistische Verhaltensweisen an den Tag zu legen, keineswegs, dass wir diese Verhaltensweisen nicht beseitigen sollten.

Wir Anarchist*innen sind für das Ende des Patriarchats. Das Patriarchat sorgt dafür, dass unsere Kultur das Recht des Stärkeren legitimiert und Gewalt normalisiert. Dies hat verheerende und oft tödliche Folgen für Frauen [sowie trans, inter und nicht-binäre Personen], Kinder, aber auch für nichtmenschliche Tiere. Anstelle einer Kultur, die das Recht des Stärkeren legitimiert und Gewalt normalisiert, fordern wir eine Kultur, die auf Empathie, Altruismus und Fürsorge für schutzbedürftige Individuen basiert.

Wir Anarchist*innen sind gegen Wettbewerb. Wir sind der Ansicht, dass wir stattdessen auf der Grundlage von Kooperation, gegenseitiger Hilfe und Solidarität handeln sollten. In Anbetracht dessen sind wir gegen ein System, dass die Interessen von nichtmenschlichen Tieren ignoriert. Wir sind daher der Ansicht, dass Menschen, anstatt systematisch die Lebensräume nichtmenschlicher Tiere zu zerstören, sich solidarisch zeigen und anfangen sollten in Frieden mit den anderen fühlenden Wesen zu koexistieren, mit denen sie diesen Planeten teilen.

In Anbetracht all dessen beziehen wir Anarchist*innen eine klare Position für die sofortige Abschaffung der Tierausbeutung und werden die notwendigen strategischen Maßnahmen ergreifen, damit speziesistische Praktiken bald endgültig der Vergangenheit angehören.

Text von:
Collectif d’anarchistes pour la fin de toutes les oppressions
(Anarchistisches Kollektiv für das Ende aller Unterdrückung)
https://pourlafindetouteslesoppressions.blogspot.com/

Frei übersetzt von:
Anarchistisches Kollektiv Glitzerkatapult
https://glitzerkatapult.noblogs.org/

** Speziesismus (aus Spezies (= Art) und -ismus) bezeichnet die Diskriminierung von Lebewesen ausschließlich aufgrund ihrer Artzugehörigkeit. Dies schließt ein, dass das Leben oder das Leid eines Lebewesens nicht oder weniger stark berücksichtigt wird, weil es nicht einer bestimmten Spezies, wie etwa der Spezies Mensch, angehört. Für die politische Tierbefreiungsbewegung ist Speziesismus jene Ideologie, durch die die Ausbeutung der Tiere in der menschlichen Gesellschaft ideologisch gerechtfertigt und verschleiert wird. Dabei wird Speziesismus als Unterdrückungsform mit Parallelen zu anderen Unterdrückungsformen wie Rassismus oder Sexismus gesehen.

*** Caviola L, Everett JAC, Faber NS. J Pers Soc Psychol. 2019 Jun; Dhont, K., Hodson, G., and Leite, A. C. (2016) Common Ideological Roots of Speciesism and Generalized Ethnic Prejudice: The Social Dominance Human-Animal Relations Model (SD-HARM). Eur. J. Pers., 30: 507- 522