Statement zu dem rassistischen Terroranschlag in Hanau und die politischen Folgen

 
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Wir sind wütend und unser tiefes Mitgefühl gilt den Angehörigen und Freund*innen von
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Ferhat Unvar, Hamza Kurtović,
Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov,
Sedat Gürbüz, Vili Viorel Păun,
Gökhan Gültekin, Said Nesar Hashemi,
Fatih Saraçoğlu.
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Der rassistische Anschlag vom 19. Februar in Hanau kommt leider nicht überraschend. Er fügt sich ein in eine ganze Reihe rassistischer Anschläge und Attentate – vom Oktoberfestattentat, Solingen, Mölln, Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda vor den 2000er Jahren – über brennende Unterkünften für Geflüchtete, NSU-Komplex, Walter Lübcke, Oury Jalloh, Burak Bektaş, Luke Holland, Halle 9.10.19. Dieser Anschlag ist ein Beispiel für die Kontinuität von rassistischem und rechtsextremen Terror in Deutschland.
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In Berlin fand daraufhin eine Solidaritätskundgebung in Neukölln statt, organisiert von antirassistischen Gruppen und eine Kundgebung am Pariser Platz, organisiert von der SPD. Wir befürworten diese klare Abgrenzung, nicht gemeinsam auf eine Kundgebung mit der SPD und anderen Parteien zu gehen. Auch die SPD trägt zu den herrschenden Verhältnissen bei. Gemeint sind rassistische Gesetze, Verfassungsschutz-Behörden, Polizeien, Schulen, Grenzabschottung, Racial Profiling und vieles mehr. Es sind diese Verhältnisse, denen wir unversöhnlich gegenüberstehen, mit denen wir brechen müssen.
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Es gibt keinen Grund zur Hoffnung, dass staatlich organisierte Behörden migrantisches Leben schützen und die rechte Szene entwaffnen werden. Denn es sind eben jene Behörden, die rechtsterroristische Strukturen in der Vergangenheit immer wieder geschützt haben. Es sind u.a. Polizist*innen und Soldat*innen, die rechtsterroristische Strukturen bewaffnen. [1a,b] Deutschland hat ein Rassismus- und ein Rechtsextremismus-Problem. Auch und gerade in den Repressionsbehörden: Hannibal, Uniter, NSU 2.0. Diese Gruppierungen sind nur ein kleiner Teil einer vernetzten, radikalen, rechten Szene, die in der Vergangenheit unter dem Radar der Mainstream-Berichterstattung unbehelligt agieren konnte. Unter anderem auch, weil sogenannte Ermittlungsarbeit staatlicher Behörden und Repressionsorgane, Gewaltverbrechen nicht als rechtsterroristische Anschläge benennen will.  Behörden agieren mit nicht vorstellbarer Gewalt. Das Verbot von Linksunten Indymedia und die Verschärfung der Polizeigesetze sind bisher von vielen unterschätzte Schritte dieser akuten Autoritätsbeschleunigung. Pressefreiheit und Protest könnte in naher Zukunft unter dieser sich herausbildenden Autorität der Vergangenheit angehören.
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Wir empfinden es als Hohn und Spott, wenn nun Angela Merkel oder Volker Bouffier meinen, etwas zu rassistischem Terror in Deutschland zu sagen zu haben. Merkel, die ihr Versprechen von lückenloser Aufklärung der NSU Morde – auch des Netzwerks, sog. „Hintermänner“ – nie einlöste. Bouffier schützt den VS-Mitarbeiter Andreas Temme, unterstützt durch die Grünen. Temme kennt den Mörder von Halit Yozgat, wenn er ihn nicht sogar selbst hingerichtet hat. [2] Es macht uns zornig, dass es nur bei Heuchelei der Regierenden bleibt. [3]
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Es ist gut, dass die AfD für ihren Rassismus endlich unter erheblichen Druck gerät. Die Forderung kann jetzt aber nicht sein, die AfD durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen, der rassistische und rechtsradikale Täter*innen unterstützt bzw. Aufklärungsarbeit gegen sie behindert. Die Konsequenz muss sein, den Verfassungsschutz abzuschaffen. Denn es kann keine Antwort sein, Repressionsbehörden zu stärken. Es sind u.a. schließlich die Repressionsbehörden, die durch Lobbyarbeit einen autoritären Ausbau vorangetrieben haben. Dieser Ausbau hat zur Folge, dass die Behörden zunehmend keiner Rechenschaftspflicht oder Kontrolle mehr unterliegen. Wir müssen den Überwachungsstaat einreißen, denn ein autoritärer Staat und der Rechtsruck gehen Hand in Hand.
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Was aber ist unsere Gegenstrategie, die Schutzlosigkeit, Ohnmacht und Unterdrückung beendet? Die Antwort ist leider nicht so klar, wie unsere vorangegangene Analyse und Kritik. Als Teil der weißen Linken, heißt es uns einzugestehen, dass wir uns teilweise nicht getroffen fühlen. Wir können uns sehr einfach unserer linken Symbole entledigen und sind dann zu meist nicht mehr unmittelbar von rechtsradikaler Gewalt bedroht. Das bedeutet ganz unmittelbar, dass wir bei Menschen in unserem nicht-weißen Freund*innenkreis ein mal nachfragen, wie es ihnen geht. Wir müssen uns bewusst werden, dass sie tagtäglich von Rassismus und rechtsradikaler Gewalt betroffen sein können. Sich jetzt ehrlich mit (dem eigenem) Rassismus auseinander zu setzen ist eine Notwendigkeit. [4a,b,5] Lasst uns zeitgemäße Strategien entwickeln, die dem komplexen Problem gerecht werden. Rassismus gehört jeden Tag auf allen Ebenen benannt und bekämpft. Das bedeutet jetzt auch, unsere Praxis gegebenenfalls anzupassen und nicht einfach zur Tagesordnung überzugehen. Deshalb rufen wir zur Beteiligung am  migrantisch organisierten Generalstreik am 08. Mai auf. [8]
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Es ist uns wichtig hier als (überwiegend) weiße Gruppe nicht nur unsere Meinung darzustellen. Daher möchten wir an dieser Stelle gerne Texte verlinken, die eine migranitische Perspektive zum Anschlag auf Hanau einnehmen und sich der Frage nach dem „wie weiter“ widmen. Deshalb, schickt uns Links von Texten/Podcasts, die wir in die Liste noch aufnehmen sollten.
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  • Redebeitrag vom NSU-Tribunal am 20. Februar 2020 bei den Kundgebungen in Berlin, Hamburg und Köln [6]
  • Radiosendung Kanak Attak vom 28.02.2020[7]
  • Aufruf zum Generalstreik am 8. Mai [8]
  • Podcast Diaspor.Asia, Folge 25: Migrantifa Demoguide [9]
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Falls ihr Facebook-Accounts habt, empfehlen wir euch sie zu löschen oder alternativ folgenden Accounts zu folgen:

  • Decolonizing Deutschland [10]
  • Migrantifa Hamburg [11]
  • Bloque Latinoamericano Berlin [12]
[4a,b] Deutschland Schwarz Weiß. Der alltägliche Rassismus. Noah Sow https://www.bod.de/buchshop/deutschland-schwarz-weiss-noah-sow-9783746006819 
[5] Anklage des Tribunals «NSU-Komplex auflösen» https://www.nsu-tribunal.de/anklage/